Granulation – die Königsdisziplin der Goldschmiede
„Granum“ ist das lateinische Wort für „Korn“. Dieses Wort gab der Technik ihren Namen. Es handelt sich um eine Ziertechnik in der Goldschmiedekunst. Dabei verziert man mit winzigen Goldkügelchen Schmuckstücke. Das Verfahren ist schon sehr alt. Bereits die Ägypter konnten granulieren. Es gibt einen Dolch aus dem Grab des Tutanchamun, dessen Griff mit einem granulierten Muster belegt ist. Aber die Etrusker waren die absoluten Meister dieser schönen Ziertechnik und nach ihnen ist das Wissen darüber in Vergessenheit geraten. Die Wissenschaft hat lang gerätselt wie die Künstler der Antike diese Wunderwerke wohl vollbracht haben.
Der Schweißvorgang
Es handelt sich beim Granulieren um einen Schweißvorgang. Kleine Goldkügelchen werden auf einen Golduntergrund aufgebracht. Das Schweißen, also die metallische Verbindung zwischen Metallen, ist seit vielen Jahrhunderten bekannt gewesen. Da man noch kein Lot kannte, blieb nur das Schweißen, so wie wir das heute noch in der Eisenverarbeitung kennen. Die Werkstücke werden so heiß gemacht, dass sie an der Fuge eine Verbindung miteinander eingehen. Wenn man sich Eisenverbindungen anschaut, dann sieht man eine wulstartige Fuge. So soll das natürlich bei feinen Schmuckstücken nicht aussehen. Also bediente man sich eines chemischen Tricks: Man mischte eine Lösung mit Kupfersulfat an. Beim Erhitzen wandelt sich das Kupfersalz in elementares Kupfer um und legiert sich in das Edelmetall ein. So lassen sich sogar recht lange Fugen sauber schweißen.
Das Herstellen der Kugeln
Nun das ist aber erst der erste Teil der Erklärung. Wie kommt man jetzt an die Kügelchen. Und da hilft man sich mit den Mitteln der natürlichen Physik. Wenn man Metall schmilzt, dann formt es sich auf Grund der Oberflächenspannung ganz von selbst zu einer Kugel. Jetzt müssen die Metallstückchen – in unserem Fall selbstverständlich Gold – genügen klein sein. Damit erhält man kleine Kugeln. Nun kann man das Gold mit einer groben Feile raspeln, dann erhält man staubkorngroße Kügelchen. Oder man walzt ein hauchdünnes Goldblech aus und schneidet winzige Paillien. Die Kugeln sind dann etwas größer. Damit sie beim Erhitzen nicht zusammenbacken, streut man sie vorsichtig in Schichten in einen Tiegel, der mit Kohlestaub gefüllt ist. Dieser Tiegel wandert in den Ofen und wird auf Schmelztemperatur erwärmt. Die Goldstückchen ziehen sich zu Kugeln zusammen. Dann schütten man den Inhalt komplett in Wasser und wäscht die Goldkugeln aus.
Das Aufbringen der Muster
Wenn man schöne Muster haben möchte, dann muss man die Kugeln erst einmal sortieren. Das geschieht heute mit feinen Sieben. Wie das die Meister der Antike gemacht haben bleibt ein Rätsel. Sind die Kugeln sortiert, dann kann man die Arbeit für die Muster beginnen. Mit der oben erwähnten Kupfersulfatlösung benetzt man einen feinen Pinsel. Mit dem Pinsel nimmt man ein paar wenige Kugeln auf und belegt damit den Goldgrund. So „malt“ man quasi mit Goldkügelchen. Das wird so lange durchgeführt, bis einem das Muster gefällt. Dann wird es geglüht, bis der Schweißvorgang erfolgt ist. Das ist auch ein sehr heikler Moment. Denn man muss das Stück schon so heiß machen, dass es fast schmilzt – und dann ist die Arbeit vertan.
Der optische Reiz
Was mich besonders fasziniert hat, als ich der Granulation zum ersten mal begegnete, ist die Optik. Die kleinen Kugeln brechen das Licht. Somit entsteht ein feines Glitzern mit einer sehr subtilen Farbigkeit. Ähnlich eines Facettenauges einer Libelle. Aber nicht nur das ist spannend. Es ist auch die Möglichkeit graphisch zu gestalten. Also zu „zeichnen“. Es lassen sich Flächen verzieren. Kugelmuster um Edelsteinfassungen wie geklöppelte Spitze…und vieles mehr. Die Technik ist sehr zeitaufwändig und kann nicht industriell erstellt werden. Es ist eine Ziertechnik für Liebhaber sowohl Goldschmiede als auch Kunden.